Zeit ist Netzhaut
Neue Therapiestudie bei Augeninfarkt startet am KliLu
Mit weniger als einer Person unter 100.000 ist ein Augeninfarkt ein seltenes Krankheitsbild. Den Schaden, den er anrichten kann, ist aber umso größer. Eine nachweislich wirksame Therapie gibt es für den medizinischen Notfall bislang noch nicht. Ein Forschungsteam des Universitätsklinikums Tübingen, des Hertie-Instituts für klinische Hirnforschung sowie der Universitäts-Augenklinik Hamburg-Eppendorf will das nun ändern. Gemeinsam untersuchen sie, inwieweit ein Medikament das Gerinnsel auflösen und dadurch die Zerstörung der Netzhaut aufhalten kann. Jetzt startet die Medikamentenstudie auch am Klinikum Ludwigshafen unter der Leitung von Prof. Lars-Olof Hattenbach, Direktor der Augenklinik, und Prof. Simon Nagel, Direktor der Neurologischen Klinik.
Nicht nur das Gehirn kann einen Infarkt erleiden – auch das Auge kann von einem akuten Verschluss der Blutzufuhr betroffen sein. Der Augeninfarkt zeichnet sich durch eine plötzliche, schmerzlose Sehverschlechterung innerhalb von Sekunden aus. Unbehandelt führt er in rund 95 Prozent der Fälle zu einem schweren und dauerhaften Sehverlust im betroffenen Auge. Der Grund ist ein Gerinnsel in den Blutgefäßen, welche die Netzhaut versorgen. Sind die Gefäße verstopft, ist die Sauerstoffzufuhr behindert und das Gewebe stirbt ab. Je schneller das Blut wieder ungehindert fließt, umso besser die Prognose.
Ein Forschungsteam untersucht nun, inwieweit das Medikament Alteplase das Gerinnsel auflösen und dadurch die Zerstörung der Netzhaut aufhalten kann. Trotz einer Vielzahl von verbreiteten Standardbehandlungen gibt es bislang keine nachweislich wirksame Therapie, die die Krankheitsursache behandelt – anders als beim ischämischen Schlaganfall, bei dem Alteplase mittlerweile routinemäßig und erfolgreich zur Auflösung des Blutgerinnsels eingesetzt wird. „Es ist daher ein naheliegender Therapieansatz, das gleiche Arzneimittel beim Augeninfarkt einzusetzen“, erklärt Studienleiter Dr. Sven Poli vom Uniklinikum Tübingen.
Nun startet die Medikamentenstudie auch am Klinikum Ludwigshafen. Rund 400 Patient*innen sollen deutschlandweit im Rahmen der Studie behandelt werden, 23 Kliniken beteiligen sich am Projekt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 4 Millionen Euro gefördert wird.
Ein Augeninfarkt ist selten. Umso wichtiger ist, dass ihn auch Laien und niedergelassene Mediziner*innen als Notfall erkennen. „Tritt eine schmerzlose Sehverschlechterung innerhalb von Sekunden auf und existiert ein Schatten auf dem kompletten Auge, sollte die betroffene Person unmittelbar in die Augenklinik oder Zentrale Notaufnahme am Klinikum Ludwigshafen gehen – notfalls mit dem Rettungsdienst, selbst dann, wenn der Schatten nur von kurzer Dauer ist“, appelliert Dr. Sven Poli. Dort kann nach der Diagnose unmittelbar mit einer Behandlung begonnen werden.
Fragen zur Studie beantworten die Studienkoordinatorinnen Marie-Luise Fornoff (Tel. 0621 503-3058) und Susanne Streib (Tel. 0621 503-4286).